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  • ZANKE // Bochum

    Interview, 2024 Im Interview mit Freiwilligen der ‚Zanke‘ in Bochum wird schnell klar, dass sich dieser Ort als weit mehr als nur eine Kneipe versteht. Die Kulturfabrik, der Verein, der hinter der Eröffnung im September 2023 steht, hat den Anspruch, an diesem Ort ein solidarisches Miteinander sowie politischen und kulturellen Austausch zu ermöglichen. Angesichts des Mangels an vergleichbaren Angeboten und der Schließungen vieler selbstorganisierter und nicht kommerzieller Räume im Ruhrgebiet hebt das Interview mit Freiwilligen der ‚Zanke‘ in Bochum besonders die Notwendigkeit und Bedeutung dieses Ortes für die Stadt hervor. Im Verlauf des Gesprächs wird deutlich, wie sich die Zanke am Westring 41 von anderen Konzepten unterscheidet, wie die ehrenamtliche Arbeit der Freiwilligen aussieht, wie Interessierte sich aktiv in die Gestaltung und Organisation des Raums einbringen können und welche Veranstaltungen geplant sind. Wie kamt ihr zu dem Entschluss, die Zanke zu eröffnen? Welche Idee steckt dahinter? A: Die Zanke gehört zur Kulturfabrik, einem gemeinnützigen Verein, den wir 2016 gegründet haben. Unser Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem solidarisches Miteinander sowie politischer und kultureller Austausch stattfinden. Zuvor hat das „Provisorium“ als vorübergehende Lösung gedient. Dieser Raum wurde derzeit schon sehr gut angenommen: Es fanden zahlreiche Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte, Feiern, Kochabende und mehr statt. Leider mussten wir ihn aufgeben, da die Auflagen und unsere Nutzungsvorstellungen nicht vereinbar waren. Also haben wir uns neu orientiert und nach Alternativen gesucht. Nach etwa zwei Jahren Suche haben wir schließlich diese Räumlichkeiten hier am Westring gefunden. Die Zanke bringt einen zusätzlichen wirtschaftlichen Aspekt mit sich, den es vorher in der Form nicht gab: Wir zahlen hier Miete und müssen entsprechend darauf achten, dass wir die finanziellen Mittel dafür aufbringen können. Dennoch versuchen wir, die Getränkepreise so niedrig wie möglich zu halten, damit sich alle, die hier sein möchten, dies auch leisten können. Im Grunde soll die Zanke ein Raum sein, der für jede:n zugänglich ist, wo sich Menschen treffen, austauschen, vernetzen und Veranstaltungen stattfinden. Es gibt auch selbstorganisierte Veranstaltungen und Tresenabende. Dabei kommen dann auch Leute von außerhalb dazu und gestalten mit. Habt ihr regelmäßige Öffnungszeiten und: Wie erreicht ihr Menschen außerhalb eures Kreises, um auf die Zanke und euer Konzept aufmerksam zu machen? A: Wir versuchen, an Freitagen und Samstagen geöffnet zu haben. Bei Veranstaltungen wie Lesungen öffnen wir auch unter der Woche. Es gibt verschiedene Gruppen, die regelmäßig Tresenabende anbieten, wie die ‚Haldenkneipe‘ oder ‚RambazamBar‘, um Beispiele zu nennen. Diese haben einen festen Platz in unserem Programm und wir organisieren alles andere drumherum und versuchen für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Wir schauen, dass die entsprechende Infrastruktur gegeben ist. Das bedeutet auch, dass viel Arbeit anfällt und wir häufig hier sind oder hinter dem Tresen stehen. B: Das ist in der Tat eine Herausforderung, herauszufinden, wie man wirksam aus einer Blase heraus kommuniziert. Diese Frage beschäftigt uns ebenfalls. Wir nutzen Instagram, Telegram und vieles mehr, aber letztendlich verbreitet sich die Information oft durch Hörensagen. Das Programm hängt zusätzlich draußen aus. Allerdings ist es so: Wenn man nichts von der Zanke weiß und nicht mit Leuten aus unserem Umfeld vernetzt ist, kann es schwierig sein, uns zu finden. Aber dafür befinden wir uns in einer relativ zentralen Lage – Menschen kommen an der Zanke vorbei. Umso schöner sind dann Momente, wie letztens bei der KÜFA (Küche für alle), wenn wir hier Leute antreffen, die wir bislang nicht kannten. A: Wir organisieren uns in Arbeitsgruppen und am Anfang oder Ende jedes Monats wird geplant und vorbereitet. Wir sammeln alle Informationen und besprechen dann gemeinsam, welche Veranstaltungen wann und wie stattfinden sollen, und bringen das dann in Form – unser Monatsprogramm. Und das ist dann auch online zu finden. Wird der gesamte Betrieb der Zanke ehrenamtlich organisiert? Falls ja, wie organisiert ihr euch? A: Ja, alles läuft ehrenamtlich ab, abgesehen von der Reinigung der Räumlichkeiten, dafür haben wir jemanden. Das bedeutet, von der Programmgestaltung bis zum Tresen läuft hier alles auf freiwilliger Basis – sowohl aus dem Kreis des Vereins als auch anderen Gruppen, die sich hier treffen und einbringen. Wir bemühen uns darum, Gelder für die einzelnen Gruppen zu sammeln, damit sie ihre Projekte finanzieren können. Das ist zumindest unser Wunsch, und wir hoffen, dass wir das so umsetzen können. B: Wir haben ein wöchentliches Plenum sowie ein Kulturfabrik-Plenum. Im November haben wir uns nochmal umstrukturiert. Seither gibt es Arbeitsgruppen: Eine für Öffentlichkeitsarbeit, Finanzen, Awareness, Veranstaltungen und Gastro. So sind nicht immer gleich alle mit allem konfrontiert. Wir bearbeiten die einzelnen Unterthemen seither meistens zu dritt in einem Team. Sind hauptsächlich Mitglieder des Kreises der Kulturfabrik in der Zanke involviert, oder kann jede:r sich einbringen und Teil werden? A: Das geht beides. Wir wünschen uns natürlich, dass möglichst viele Menschen Fördermitglieder werden, weil wir nur so diesen Raum aufrechterhalten können, sowohl durch Fördermitgliedsbeiträge als auch durch die Einnahmen, die erwirtschaftet werden. Aber das ist keine Voraussetzung. War eine Theke ein wesentliches Kriterium bei eurer Raumsuche für die Zanke? A: Aufgrund der positiven Erfahrung, die wir mit dem ‚Provisorium‘ gemacht haben, war es uns wichtig, dass wir eine Ausschank-Lizenz bekommen und Kneipenabende möglich sind – ja. Das war ein klares Kriterium bei der Suche nach einem neuen Raum und da konnte eine Theke natürlich nicht fehlen. Rückblickend, nach der langen Suche und der intensiven Umbauphase sowie all der investierten Zeit und Kreativität, entspricht die Zanke eurer ursprünglichen Vorstellung oder entwickelt sich zumindest in diese Richtung? A: Meiner Meinung nach befinden wir uns gerade in einem starken Entwicklungsprozess. Die Zanke wird sehr gut angenommen. Es finden regelmäßig Veranstaltungen statt und viele Menschen haben Lust, diesen Raum mitzugestalten, worüber wir uns sehr freuen. Natürlich bedeutet das auch einen großen organisatorischen Aufwand, und wir arbeiten daran, uns zu strukturieren und zu finden, um zu sehen, wie wir ehrenamtlich am besten agieren können und welche Aufgaben wir möglicherweise in Zukunft abgeben müssen. C: Vielleicht kann ich noch ergänzen, dass Bochum diesen Raum gebraucht hat. Wir erhalten beispielsweise über Instagram viel Zuspruch und positives Feedback, aber auch viele Anfragen wie „Hey, ich möchte meinen Geburtstag feiern – ist das bei euch möglich?“. Die Nachfrage nach einem solchen Raum – obwohl es bereits diverse andere selbstorganisierte Räume in Bochum gibt, die ebenfalls gut laufen – ist also groß. Heißt das, dass Leute die Zanke für private Anlässe mieten können oder ist die Nutzung des Raums an ein Engagement oder politische Arbeit gebunden? C: Wir möchten hier keine reinen Privatveranstaltungen haben, da wir auch in Zukunft als offener Raum wahrgenommen werden wollen. Es wird jedoch immer wieder Möglichkeiten und Lösungen geben, wie bestimmte Interessen in einen anderen Kontext überführt werden können, beispielsweise durch die gemeinsame Gestaltung von Abenden mit uns oder anderen Gruppen. Wie ist euer bisheriger Eindruck: Habt ihr das Gefühl, dass auch Leute von außerhalb eures Kreises dazukommen, oder bleibt es eher bei bekannten Gesichtern? B: Das hängt stark von den Veranstaltungen ab. Es gab Momente, in denen ich den Laden betreten habe und niemanden kannte, und mich richtig gefreut habe, weil ich dachte: „Wow, so viele Leute, die ich noch nie gesehen habe!“. Nicht, weil ich hier normalerweise jede:n kenne, aber offensichtlich spricht sich die Zanke herum, das ist super schön. Es ist auch einfach ein guter Ort, an dem man entspannen und in guter Atmosphäre sein kann und, den sich jede:r leisten kann! Bei bestimmten Tresenabenden trifft man dann regelmäßig auf die gleichen Leute, was auch schön ist! Das fühlt sich dann ein bisschen wie ein zweites Wohnzimmer an, ohne, dass man Leute zu sich nach Hause einladen muss. Man kommt für ein paar Stunden hierhin und hat eine gute, entspannte Zeit... wenn man nicht gerade hier arbeiten muss (lacht). Aber im Ernst, als zusätzliche Idee finde ich es toll zu wissen, dass man immer in die Zanke kommen kann und es hier schön ist. C: Besonders deutlich merke ich das montags beim ‚Zarbeiten', dass viele Menschen hierherkommen, die unabhängig von dem Wunsch, ein alkoholisches Getränk zu konsumieren, einfach vorbeischauen wollen. Sie haben irgendwie mitbekommen, dass die Zanke montags ein Ort ist, an dem man gemeinsam arbeiten kann. Co-working für wenig bis kein Geld oder gegen eine Spende – das funktioniert super und spricht noch mal ganz andere Menschen an. Wie plant ihr Veranstaltungen wie das erwähnte ‚Zarbeiten‘ unter der Woche? Gibt es Freiwillige, die den Raum für solche Veranstaltungen dann regelmäßig auch tagsüber öffnen? B: Ja, beim Zarbeiten sind zum Beispiel jeden Montag Leute von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr hier. Insgesamt verbringen die meisten aber mehrmals die Woche einige Stunden im Laden – das nimmt schon Zeit in Anspruch. Stecken ausschließlich Vereinsmitglieder der Kulturfabrik hinter der Organisation der Zanke, oder wie ist eure Struktur aufgebaut? A: Aktuell organisieren diejenigen, die aktive Mitglieder im Verein sind, auch die Zanke. Es stellt sich jedoch langfristig die Frage, wie das weitergehen wird und ob diese Organisationsform aufrechterhalten werden kann. Gibt es Leute, die zu euch kommen und konkret danach fragen, wie sie sich hier einbringen können? C: Ja, die gibt es – viele sogar! A: Letztens hatten wir ein offenes Plenum, bei dem ein paar Leute aufgetaucht sind, die von weiter weg nach Bochum gezogen sind und von uns gehört haben. Sie haben direkt Interesse bekundet, aktiv mitwirken zu wollen. D: Manche kommen speziell für Tresenabende, andere interessieren sich für die organisatorische Arbeit. Es gibt also durchaus Leute, die echtes Interesse zeigen, aktiv mitzuhelfen. Denkt ihr, dass das Interesse eher darauf gerichtet ist, die Zanke als Kneipe in irgendeiner Weise mitzugestalten, oder gilt das Interesse der politischen Arbeit und dem gemeinsamen Austausch? A: Es gibt Interesse an beiden Aspekten. Ich denke, es sind auch Leute dabei, die nicht unbedingt politisch aktiv sind. D: Auf jeden Fall sind Personen dabei, die vorher noch nie in politischen Kontexten involviert waren. C: Ich würde sagen, dass gerade aktuell Leute explizit nach Möglichkeiten suchen, sich einzubringen, und uns als eine Chance sehen, besonders weil wir recht neu sind. Das macht es leichter, Zugang zu finden und beispielsweise in die politische Arbeit mit einzusteigen. B: Es braucht beides. Einerseits müssen wir als Verein, die Kulturfabrik, überlegen, welche politischen Veranstaltungen wir über das Jahr hinweg planen wollen, welche Veranstaltungsreihen wir durchführen möchten. Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich auch Leute, die sagen: „Ich stehe einfach hinter dem Tresen, bin zuverlässig und kümmere mich – auch, wenn ich vielleicht nicht die Kapazität habe, eine ganze Veranstaltungsreihe zu organisieren.“ Egal wie, tragen sie dann auf ihre Art dazu bei, den Laden am Laufen zu halten. A: Wir befinden uns im Aufbau. Es kommt immer wieder zu chaotischen Situationen. Wir arbeiten aber daran (lacht). Durch die stetige Rotation von neuen unerfahrenen und erfahrenen Leuten müssen wir sicherstellen, dass alle gleichermaßen eingearbeitet sind. Wir haben beispielsweise Checklisten für verschiedene Aufgaben, damit allen klar ist, wie bestimmte Dinge zu erledigen sind. Es ist hilfreich, Leute dabei zu haben, die bereits Erfahrung mitbringen, damit diejenigen, die neu dazukommen, von ihnen lernen können. D: Mit der Zeit helfen immer mehr Leute mit. Das entlastet und verteilt die Arbeit auf mehr Schultern – das ist ein gutes Gefühl! B: Wir haben schnell gelernt, dass es nicht ausreicht, Abläufe zu kennen. Es gibt immer etwas zu tun, und oft treten unerwartete Probleme auf, sei es mit der Technik oder anderen Kleinigkeiten. Im laufenden Betrieb werden wir immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die zusätzlich zu den täglichen Aufgaben bewältigt werden müssen – das bedeutet einfach viel Arbeit. Kriegt ihr bisher alles auf ehrenamtlicher Basis hin oder kommt es auch mal vor, dass ihr an eure Grenzen stoßt? (Alle lachen.) B: Nun ja, wir bekommen das hin, aber nur dank der Leute, die sich zum Beispiel dazu bereit erklären, ein neues Waschbecken einzubauen oder die Pissoirs zu reinigen, oder was auch immer gerade anfällt. Wir machen ja nicht alles selbst. Wenn es keine Freiwilligen gäbe, die da aushelfen würden, müssten wir Firmen beauftragen. Wir tun, was wir können, und verbringen wirklich sehr viel Zeit hier, aber wir versuchen schon auch, Aufgaben abzugeben. Sind die Kulturfabrik und die Zanke nun eins, oder finden Veranstaltungen der Kulturfabrik auch losgelöst hiervon statt? A: Das ist gerade in der Entwicklung. Im Moment konzentrieren wir uns vollständig auf die Zanke, da es das Projekt ist, das wir seit vielen Jahren angestrebt und versucht haben zu realisieren. Im Moment nimmt es einfach sehr viel Zeit in Anspruch. Es gibt aber auch Leute aus unserem engsten Kreis, die langfristig wieder Veranstaltungen organisieren möchten, wie die Kulturfabrik es früher getan hat. Da müssen wir jetzt einfach abwarten, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Wie viele Leute stehen hinter der Kulturfabrik, also dem Verein als solchem? B: Es gibt den Verein und entsprechende Vereinsmitglieder. Diese sind alle stimmberechtigt, aber der laufende Betrieb der Zanke, wird über das Plenum geregelt, das sich wöchentlich trifft. Da sind wir maximal zehn Personen. A: ... Aktive. Es gibt auch Fördermitglieder und aktive Vereinsmitglieder. Wie wird das Thema Sicherheit innerhalb der Zanke behandelt? Ihr habt zu Beginn unseres Gesprächs Arbeitsgruppen erwähnt, darunter eine Awareness-Gruppe. Inwieweit ist das ein Thema? C: Sicherheit ist seit der Eröffnung ein wichtiges Thema, das uns begleitet und fortlaufend beschäftigt. Bald werden wir Schulungen für alle Tresenkräfte und Gruppen anbieten und darüber sprechen, wie wir den Raum niederschwellig öffnen können, aber dann so, dass sich alle dabei wohlfühlen. Wir haben Konzepte und Ideen, wie wir das angehen können, aber keine festgeschriebenen Regeln. B: Das ist eine tolle und wichtige, aber auch echt schwierige Aufgabe. Wir kümmern uns momentan ehrenamtlich aus dem Plenum heraus darum. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe – inhaltlich, strukturell und auch langfristig. Es geht nicht nur darum, wer das macht, also on top, sondern auch darum, wie man es gut macht. Wir müssen die Theke in das Awareness-Konzept einbeziehen und generell ein gutes Konzept entwickeln. Ihr seid bereits seit einigen Monaten aktiv. Was habt ihr für die kommenden Monate geplant? Welche Veranstaltungen und Aktivitäten werden in der Zanke 2024 stattfinden? C: Wir haben im ersten Monat mit einer wunderbaren Kooperation mit der jüdischen Gemeinde gestartet. Das war etwas, wofür wir alle sehr dankbar waren, da es bereits ein fertiges Konzept gab, das sie dann in unseren Räumlichkeiten umsetzen konnten. Diese Art von Zusammenarbeit möchten wir auch gerne weiterführen. Dann folgen die feministischen Aktionswochen mit vielen verschiedenen Workshops und Veranstaltungen. Im Oktober sind Veranstaltungen gegen Antisemitismus geplant und es stehen noch viele weitere Ideen für zusätzliches Rahmenprogramm an. D: Neben den regelmäßigen Terminen wie dem Co-working, Tresenabenden wie der Haldenkneipe, RambazamBar, Surprise! Tresen, Schwuler Herner- Tresen, Zankerei, einem Sketch-Treff jeden ersten Sonntag im Monat... A: ... alle zwei Monate ein veganer Dinner-Abend im Wechsel mit einem Pancake-Sunday... D: ... einem Mitbring-Brunch... A: ... bei dem es Waffeln gibt anstelle von Pancakes.Außerdem gibt es unregelmäßig, aber mindestens einmal im Monat KÜFA mit wechselnden Leuten. Bald kommt dann noch ein Kleidertausch dazu. Wir planen zudem weiterhin Vorträge, Workshops, Spiel- und Filmabende, Lesungen sowie DJ-Share-Veranstaltungen. C: Wir sind immer offen für Neues. B: Gerne auch für politische Themen. Was unterscheidet die Zanke von anderen selbstorganisierten Räumen? Was bedeutet sie für euch persönlich? A: Die Zanke zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie keinen kommerziellen Gedanken verfolgt. Hier sollen sich wirklich alle Menschen wohlfühlen können und es geht um Input und Austausch zu kulturellen und politischen Themen. Die Zanke ist nicht nur eine Kneipe, sondern ein Raum, in dem Veranstaltungen stattfinden und eine klare politische Haltung nach außen getragen wird. Ein Ort, an dem sich mit Dingen wie Awareness ernsthaft auseinandergesetzt wird – ein Ort, an dem möglichst viele Menschen sich wohlfühlen und solidarisch miteinander sind. D: Die Zanke ist offen dafür, dass immer neue Leute dazukommen, sich beteiligen und aktiv mitgestalten können. B: Für mich ist der wichtigste Punkt, dass wir solidarisch sind und einen Anspruch haben, den man vielleicht gesamtgesellschaftlich nicht hat oder nicht durchsetzen kann. Wir versuchen es gutzumachen und hoffen hier auf Leute zu treffen, die das auch wollen. Man soll sich hier wohlfühlen können, und der solidarische Grundgedanke bildet den Ausgangspunkt – das spiegelt sich im Miteinander wider, aber auch in den Getränkepreisen als ein Beispiel oder in der Art, wie wir unsere Toiletten ‚gestalten‘. C: Ich glaube, die Zanke ist ein Raum, der sich kontinuierlich weiterentwickelt, und genau das ist gut so. Wir möchten weiter an Dingen und Themen arbeiten, wie zum Beispiel der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen. Hier besteht gerade noch Bedarf. Informationen und Kontakt: Instagram,: https://www.instagram.com/zanke_bochum Website: https://kulturfabrik-bochum.org/2023/09/willkommen-in-der-zanke/ Text/Interview & Foto: Judith Büthe

  • Islamische Gemeinde Röhlinghausen

    Herne, 2023 In der Mitte der 1970er Jahre mieteten Tuncay Naziks Eltern, Cuma und Güllü, die heutigen Räumlichkeiten der Islamischen Gemeinde in Herne an, die ursprünglich als Tante-Emma-Laden dienten und seither als Gebetsort genutzt werden. Im Gespräch mit verschiedenen Gemeindemitgliedern erfahre ich, wie sich dieser Ort im Laufe der Jahre zu einem vielfältigen sozialen und religiösen Ort der Begegnung entwickelt hat. Es geht um Fortschritt, gemeinschaftliches Zusammenleben und den Anspruch der Gemeinde aus Röhlinghausen, auch in herausfordernden Zeiten für Vielfalt, Engagement sowie religiösen und gesellschaftlichen Austausch einzustehen. ​ Was macht eure Gemeinde aus, und worin unterscheidet sich eure Arbeit von anderen Moscheen? Tuncay: Ich war ein Jahr alt, als meine Eltern nach Deutschland gekommen sind und die Gemeinde gegründet haben. 1976 wurde sie dann eröffnet. Wir sind seither eine unabhängige Gemeinde und arbeiten größtenteils ehrenamtlich, mit nur kleinen Ausnahmen. Die Menschen, die heute für uns ehrenamtlich aktiv sind, waren einmal selbst als Kinder und Jugendliche in dieser Gemeinde. Sie sind also der Nachwuchs der Ehrenamtler*innen, die entweder in der Zwischenzeit ausgeschieden sind oder nicht mehr aktiv unsere Jugendlichen betreuen. Wir haben als Gemeinde viele Facetten, Aufgaben und klare Leitlinien. Wir setzen zudem auf gute Pressearbeit und sind entsprechend präsent – nutzen ebenfalls Social Media für uns und haben eine gute Reichweite. Die Gemeinde ist gut vernetzt, auch mit verschiedenen Religionsgemeinschaften und demokratischen Akteur*innen, der Kirchen und Synagogen. Wir bieten eine starke religiöse Unterweisung an, was konkret bedeutet, dass wir Kindern eine zeitgemäße Vermittlung des Islams mit auf den Weg geben. Dabei belassen wir es aber nicht. Wir setzen auf gute Jugendarbeit mit unseren Jugendleiter*innen, die sich regelmäßig weiterbilden, u. a. zu den Themen Kinder- und Jugendschutz sowie Kindesmissbrauch, im Rahmen des Juleica-Programms (Jugendleiter*in-Card, bundesweit einheitlicher, amtlicher Ausweis für regelmäßige ehrenamtliche Tätigkeit in der Jugendarbeit). Diese Angebote werden hier gerne wahrgenommen. Es kommen zudem regelmäßig viele externe Expert*innen zu uns bzw. zu unseren Veranstaltungen, was bei größeren Vereinen manchmal auch zu Neid führt, Leute wie Aladin El-Mafaalani zum Beispiel. Havle: Vielleicht noch kurz als Ergänzung zur Aussage meines Vaters: Es kommt nicht aus dem Nichts, dass wir solch große Veranstaltungen mit entsprechenden Vertreter*innen veranstalten können. Wir sind auf allen möglichen Veranstaltungen selbst vertreten, zeigen regelmäßige Präsenz und haben als Gemeinde etwas zu sagen. Unsere Gemeinde ist weder an einen Dachverband gebunden, noch beziehen wir irgendwelche Zahlungen aus dem Ausland. Darin liegt sicherlich grundlegend ein Unterschied zu vielen anderen. Es ist für eine Gemeinde wie unsere total schwer, wenn man eine offene Denkweise hat, aber dein Geldgeber da anders ist und dir Vorschriften macht, und dir eine Richtung vorgibt. Hast du finanzielle Unterstützer*innen, an die du gebunden bist und schließt dich entsprechend irgendwo an, musst du nun mal machen, was die Person letztlich will. Wir möchten und werden weiter unabhängig sein und anders arbeiten, das ist eine bewusste Entscheidung. Unsere Moschee wurde von meinen Großeltern gegründet, um den Menschen den Islam näherzubringen. Daraus hat sich dann irgendwann entwickelt, dass wir eine offene Moschee geworden sind. Da kommt kein Dachverband infrage, außerdem ist mein Vater darauf bedacht, diverse Veranstaltungen zu organisieren und sich nicht nur an Vorgaben anderer halten will. Wir finanzieren unsere Arbeit über die Mitgliederbeiträge und beantragen zusätzlich öffentliche Gelder für konkrete Projekte oder Veranstaltungsreihen – das ist wichtig und auch möglich. Es gibt hier viele Möglichkeiten, eine Förderungen für den Schwerpunkt Integration zu beantragen. ​Welche Funktion hast du innerhalb der Gemeinde? Tuncay: Ich bin wohl eines der längsten Gemeindemitglieder. (lacht) Ich bin derzeit Geschäftsführer als auch Vorstandsmitglied, Jugendleiter und Pressesprecher. Havle: Ich bin als Jugendleiterin tätig und betreue unter anderem unsere Profile in den sozialen Medien, wie z.B. Instagram: Ich verfasse mit meinem Vater zusammen Berichte und lese allgemein Korrektur, bevor Texte herausgehen. Organisatorisch bin ich ebenfalls mit eingebunden, bei Veranstaltungen zum Beispiel, mache ich recht viel und vertrete die Gemeinde. ​Aus welchem Grund konkret seid ihr keinem Dachverband angeschlossen? Tuncay: Es gibt mehrere Gründe hierfür. Ganz vorneweg ist Unabhängigkeit ein absoluter Segen. Wir entscheiden selbst, was wir machen möchten und mit welchen Vereinen oder Organisationen wir z.B. kooperieren wollen. Außerdem ist es so, dass die muslimische Position in Deutschland ein bisschen schwierig ist: Vor 15–20 Jahren war die DITIB noch ein Aushängeschild und wurde vorbildlich verstanden – man sollte sich an ihnen orientieren. Heute sehen wir, was daraus geworden ist. Bei irgendwelchen anderen Organisationen, die als Vereine dargestellt wurden, und hier herausragende Integrationsarbeit geleistet haben, stellt sich dann heraus: Ah… Die sind doch nicht ganz so demokratisch. Da kann man einiges falsch machen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, dass wir Dinge lieber in eigener Verantwortung richtig oder falsch machen – ohne dabei in eine Schublade gesteckt oder einer Gruppierung zugeordnet zu werden. Welche Art von Veranstaltungen organisiert eure Gemeinde? ​Tuncay: Als ein Beispiel hatten wir gerade Angehörige der Opfer der NSU-Morde aus Hanau hier in unserer Gemeinde in Herne. Das gab es nie zuvor. Uns ist es wichtig, eine Stimme zu haben, entsprechend versuchen wir so gut es geht mitzureden in der Gesellschaft – was Herne betrifft. Wir sehen es übergeordnet nicht als unser Ziel, als Gemeinde Röhlinghausen in der ganzen Welt mitzumischen; das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen hier in Herne mitreden – als Teil eines großen Ganzen mitgestalten, auch zu heiklen und kritischen Themen mitsprechen: Antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Nahost-Konflikt, die sogenannte Kopftuch-Debatte u.v.m. Wir scheuen uns nicht davor, das auszusprechen, was wir für wichtig erachten. Denn wenn wir uns als Teil der Gesellschaft verstehen (sollen), sind die allgemeinen Belange eben auch unsere Belange. ​ Wie alt sind die Gemeindemitglieder, die eure Räumlichkeiten aufsuchen und wie viele seid ihr? Havle: Ich bin an den Wochenenden nur selten hier, aber ich meine, die jüngsten unter uns sind acht Jahre alt, die ältesten 24 Jahre. Das sind diejenigen, die den aktiven Part der Gemeinde hier ausmachen, also auch Teil der Jugendarbeit sind. Zum Beten kommen dann wirklich alle Altersgruppen zusammen – von ganz jung bis ganz alt ist da alles dabei. Festgemacht an den Mitgliedschaften, sind wir etwa 100 Mitglieder. Wie wird eure Offenheit gegenüber diversen Themen wahrgenommen? Erfährt diese Haltung Unterstützung innerhalb der Gemeinde? Tuncay: Wir haben in der Vergangenheit auch Rückschläge erlebt und einiges einstecken müssen, aber inzwischen, würde ich sagen, haben wir ein gutes Fundament und das Vertrauen für uns und unsere Arbeit ist da. Mein Bruder beispielsweise ist ausgebildeter Theologe, der sowohl in der Türkei als auch in Deutschland einen Abschluss gemacht hat, so wie ich auch. Innerhalb der Gemeinde ist das Interesse groß, und die Jugendleiter*innen bilden sich stetig weiter. Bei all dem, was wir tun, erhalten wir positive Rückmeldungen – uns wird Vertrauen geschenkt und wir gehen entsprechend damit um – das entspricht der islamischen Norm. Für kritische Fragen und Anmerkungen sind wir immer offen, auch bei unseren Gemeindemitgliedern. Wenn jemand ernsthaft Antworten sucht, gehen wir hier ins Gespräch und können ihm/ihr etwas mitgeben. Mit Blick auf religiöse Themen gibt es hier jedoch keine Reibungspunkte. Über aktuelle politische Themen reden wir innerhalb der Gemeinde, also unserer Räumlichkeiten, nicht – insbesondere, wenn es um ausländische Politik geht. Wir beschäftigen uns mit den Belangen dieser Gesellschaft, in der wir leben. Das ist Teil unserer Leitlinien und wird entsprechend von den Mitgliedern akzeptiert. Diese Leitlinien hängen hier auch noch einmal unübersehbar an der Wand, wenn man die Gemeinde betritt. Sobald wir die Gemeinde verlassen, kann jede*r für sich entscheiden, worüber er/sie sich austauschen möchte.​​ Werden Entscheidungen für die Auseinandersetzung mit Themen von der Gemeinde zumeist einheitlich getragen? Tuncay: Ein Beispiel, das die Frage womöglich beantwortet: Wir waren zuletzt gemeinsam in Bergen-Belsen. Das war eine Veranstaltung ausschließlich für unsere Gemeinde. Wir waren mit 80 Leuten dort. Das zeigt, dass unsere Angebote an- und ernst genommen werden. Da muss man dann auch unterscheiden, was nun der Nahost-Konflikt ist und was die Shoah war. Die Shoah war eine industrialisierte Tötung von Millionen von Menschen – darunter sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Das kann ein Mensch nicht gutheißen; das kann kein Muslim gutheißen. Und weil wir hier in Deutschland leben, ist das eben auch unsere Geschichte geworden. Es ist nicht unsere Schuld, aber unsere Verantwortung, damit richtig umzugehen, und hierzu sensibilisieren wir die Gemeinde. Das darf dann nur nicht auf eine andere oder aktuelle politische Situation übertragen werden. Die Shoah war zutiefst unmenschlich, unchristlich und nicht muslimisch. Damit muss man sich in diesem Land auseinandersetzen.​ Informationen und Kontakt: Website: https://www.ig-ev.de Instagram: https://www.instagram.com/islamischegemeinde Facebook: https://www.facebook.com/IslamischeGemeindeHerneRoehlinghausen

  • HALDI47 // Hausbesetzung

    Interview mit Lena und Eva Bochum, 2023 Ihr habt die "Haldi47" in Bochum-Hamme bereits am 15.10.2022 besetzt. Inzwischen kommuniziert ihr die Haldi47 als Hausprojekt. Was hat sich im Laufe der Monate getan? Lena: Die Hausbesetzung als Aktion stand für sich: Wir wollen aufmerksam machen auf den Leerstand in der Stadt. Und das, während Menschen sich wohnen, an vielen Stellen nicht mehr leisten können oder Geflüchtete schlichtweg in Turnhallen gesteckt werden. Das ist unsere Intention. Und diese Aufmerksamkeit konnten wir mit dieser Besetzung schaffen: Deshalb kommunizieren wir auch – nach Absprache in der Gruppe – mit entsprechenden Medienvertreter*innen. Das Thema muss aufrechterhalten werden. Mit der Zeit und einem gewissen Abstand zum Tag der Besetzung ist das Interesse und somit die Anfragen zurückgegangen. Ich finde das einerseits schade, auf der anderen Seite weiß ich, wie viel anderes wir zeitgleich in den letzten Monaten organisiert und realisiert haben. Jetzt, wo feststeht, dass wir Ende des Monats endgültig aus der Haldi rausmüssen, wollen wir das Hausprojekt noch einmal aufleben lassen. ​ Eva: Ich finde es wichtig, dass mit Medien allgemein kommuniziert wird. Wir haben hierfür sogar ein Pressehandy angeschafft. Wir wollten und wollen, dass die Haldi47 in die Öffentlichkeit kommuniziert wird. Wichtig sind aber auch unsere eigenen Kanäle, über die wir informieren. Die Haldi ist inzwischen vom besetzten Haus zum offenen Projekt geworden – es gibt die Möglichkeit ins Haus zu kommen. Dennoch braucht es auch weiterhin kontrollierbare Öffentlichkeit. Es ist gut und schön zu kommunizieren, aber natürlich ist es uns wichtig, mit wem gesprochen wird. ​ ​ Wie viele seid ihr? Lena: Das ist schwierig zu sagen, da es bei solchen Projekten immer Fluktuation gibt. Gerade zu Beginn, also direkt nach der Besetzung waren sehr viele Menschen da und haben sich beteiligt. Ich würde sagen, dass der „harte Kern“ von Menschen, die von Beginn an und bis jetzt regelmäßig bei Plena waren und mal mehr, mal weniger mit geplant und organisiert haben, bei vielleicht 10 - 15 Personen liegt. Es gibt aber allgemein ein größeres Umfeld von Menschen, die regelmäßig an der Haldi sind – unterstützen und/oder einfach eine gute Zeit miteinander genießen. ​ ​ Wie ist eure Erfahrung mit der Nachbarschaft? Lena: Uns war es von Beginn an ein Anliegen, die Nachbarschaft mit einzubeziehen. Wir haben auch gleich in der ersten Woche ein Nachbarschaftsfest organisiert, um den Leuten die Möglichkeit zu geben uns und unser Anliegen kennenzulernen. Hier kam wirklich viel positive Resonanz. Und da war nicht nur Interesse, sondern auch von allen Seiten das Angebot, uns mit Sachspenden zu unterstützen. Mit Blick zurück auf die Anfangszeit ist dieser Austausch in den vergangenen Monate zurückgegangen. Nach den zurückliegenden Übergriffen auf die Haldi, gibt es wieder vermehrt von allen Seiten Solidaritätsbekundungen. Wie erfahren interessierte Menschen von euch? Wie kommuniziert ihr euer Anliegen, eure Forderungen, aktuelle Entwicklungen und Veranstaltungen? Lena: Die Kommunikation läuft größtenteils digital, über Instagram, um ein Beispiel zu nennen. Da ist es dann eher die eigene Blase, die wir erreichen. Deshalb war klar, wir plakatieren und flyern parallel dazu, weil es doch irgendwie dazu gehört und definitiv in der Nachbarschaft Menschen abholt, die wir sonst nicht erreichen würden, außer natürlich die, die szenentechnisch eh bereits mit uns verbunden sind. ​ Wenn neue Leute dazukommen, also die Haldi besuchen, dann ist das meist einmalig oder besser gesagt unregelmäßig, vielleicht, weil es eher die Neugierde ist, einmal einen Blick in unser Hausprojekt zu werfen. Was wirklich besonders ist: durch die Besetzung der Haldi haben sich verschiedene politisch aktive Gruppen und Initiativen zusammengetan, sind nun miteinander vernetzt – auch generationsübergreifend. Ich hoffe sehr, dass das über die Zeit des Hausprojekts hinweg bestehen bleibt. Klar, vorrangig ist das hier eine zeitlich begrenzte Hausbesetzung. Die Haldi ist aber inzwischen mehr als das: Sie ist nach einem halben Jahr zu einem Hausprojekt geworden, bietet Schutz- und Wohnraum, in dem man sich frei bewegen kann. Ein Ort, an dem Dinge bewegt werden, Menschen aufeinandertreffen und den Austausch suchen – wo man sich wohlfühlen kann. ​ ​ Was bezweckt bzw. was konkret bewirkt ihr mit der Besetzung der Haldi47? Lena: In Hinblick auf die Thematik der Wohnraumpolitik als Hintergrund der Haldi47, bringt die Besetzung vor allem eins: Aufmerksamkeit! Zum einen in der Presse, die uns gerade zu Beginn viel thematisiert hat, zum anderen in der Nachbarschaft. Die Haldi ist ein Ort, an welchem sich über diese Thematik ausgetauscht werden kann, also ein Ort der Vernetzung, an dem teilweise auch Menschen zusammenkommen, die sonst vielleicht nie miteinander (über solche Themen) gesprochen hätten. Von Beginn an sind hier super viele solidarische Menschen zusammengekommen, mit denen man u. a. den Frust über gesellschaftliche Systeme teilen und einander empowern kann. Dieses solidarische Beisammensein in einem Freiraum hat mir persönlich gutgetan und mir zugleich wieder mal aufgezeigt, nicht allein mit meinem Frust und meinen Vorstellungen zu sein. Mit Rückblick auf den Tag der Besetzung: Wie waren eure Pläne? Habt ihr ein alternatives Wohnprojekt für realistisch gehalten? Lena: Bei der Besetzung im Oktober waren einfach so viele Cops hier... Wir sind nicht davon ausgegangen, dass wir überhaupt länger als ein paar Minuten gegenhalten können. Wir haben in dem Moment nicht damit gerechnet, dass die Haldi langfristig existieren wird. Da war mehr Glück als Verstand. Das ist jetzt sechs Monate her (lacht). ​ Eva: Die Cops waren quasi vor uns da. Trotzdem haben wir es geschafft. Aber es gab halt auch echt krasse Solidarität auf der Straße – von Anfang an eigentlich. Das hat uns dabei geholfen: Uns wurde direkt Essen gebracht, Musik, Möbel und vieles mehr. ​ Lena: Das Stimmt. Vor dem Haus und im Haus war einfach Solidarität. Und es sind mit der Zeit immer neue Leute dazugekommen und wie schon erwähnt, haben sich schnell Gruppen zusammengeschlossen. Wie gestaltet sich der Austausch zwischen der Stadt Bochum und euch? Lena: Seitens der Politik, also der Stadt Bochum kam nichts. Dafür war das mediale Interesse von Beginn an da. Es gab maximal eine Solidaritätsbekundung seitens einer Partei hier in der Stadt. Das war nach den Übergriffen auf die Haldi47. Davor und danach kam nichts. Der Austausch zwischen der Diakonie als Ansprechpartnerin für die Haldi und uns ist dafür super. Es wäre spannend zu wissen, wie die Besetzung und/oder das Hausprojekt verlaufen wäre, wenn die Stadt Ansprechpartnerin wäre. ​ ​ Im März kam es zu einem Übergriff Dortmunder Neonazis auf die Haldi47. Welche Auswirkung hat dieser auf euer persönliches Gefühl und euer Konzept eines „offenen Hauses“? Lena: Ich war persönlich während des Übergriffs nicht im Haus. Dennoch hat sich für mich – wie für die meisten hier – einiges geändert. Das Gefühl, wenn ich hier bin ist anders. Außerdem müssen wir im Haldi-Alltag auf unsere Sicherheit achten. Als Hausprojekt waren und sind hier immer neue Leute willkommen und die Tür stand offen. Das Haus wird seither aber abgeschlossen. Und wenn heute Leute in der Haldi übernachten, jetzt nach den Übergriffen, achten wir sehr darauf, dass immer genügend Personen hier sind. Wir wollen unbedingt weitermachen, Widerstand leisten und bis zum Ende ein offenes Haus bleiben! ​ ​ Ihr versteht die „Haldi47“ als Hausprojekt, als einen Freiraum für alle. Wie stett ihr dem Begriff des tatsächlichen Besitzes gegenüber? Lena: Ich betrachte Besitz in erster Linie als Produkt des Kapitalismus. Wenn dieser dazu führt, dass die besitzenden Menschen daraus extremen Profit ziehen, während andere wiederum ausgebeutet werden oder aufgrund der Profitgier Nachteile erfahren, lehne ich das konsequent ab. Wenn ich das im Kontext von Wohnraum betrachte, sehe ich es extrem kritisch, dass immer wieder einzelne Besitzer*innen oder Unternehmen als Gewinner*innen des kapitalistischen Systems hervorgehen, während andere darunter leiden. ​ ​ Wie viel Organisation steckt hinter einer Besetzung wie die der Haldi47? Wie viel Orga oder gar Struktur bedarf ein Hausprojekt wie das eure? Lena: Gerade am Anfang war der Orga-Aufwand extrem groß: da waren plötzlich ganz viele, extrem unterschiedliche Menschen, die an diesem Projekt teilhaben wollten und wir mussten überlegen, was in der Haldi alles passieren soll. Da einen Konsens zu finden, Struktur zu schaffen und dafür zu sorgen, dass sich möglichst alle wohlfühlen, hat auf jeden Fall einige Zeit und Geduld in Anspruch genommen. ​ Außerdem mussten wir das Haus und den Garten ‚aufhübschen‘, den Kontakt mit der Eigentümerin des Hauses suchen, Öffentlichkeitsarbeit leisten, die Nachbarschaft einbeziehen und und und... Mit der Zeit ist der Organisationsaufwand immer mehr zurückgegangen, weil dann schon ein gewisses Konzept für das ganze Projekt „Haldi47“ erarbeitet wurde und mehr oder weniger funktionierende Dynamiken entstanden sind. Mittlerweile müssen vor allem konkrete, größere Veranstaltungen geplant werden. Dann hängt es halt von den Kapazitäten der beteiligten Menschen ab – entsprechend viel passiert dann letztlich auch. Was wünscht ihr euch mit Blick auf die Thematik „Wohnraum“ hier in Bochum und/oder städteübergreifend? Was fordert ihr konkret seitens der Entscheidungsträger*innen? Lena: Es kann einfach nicht sein, dass Wohnen zum Luxus wird. Allein in Bochum sind fast 1.000 Menschen wohnungslos und es werden immer mehr. Gleichzeitig gibt es immer mehr Leerstand, der entweder bewusst leer stehen gelassen wird oder eben teuer saniert und zu Luxusimmobilien umfunktioniert werden. ​ Sozialer Wohnungsbau fällt dabei mehr und mehr in den Hintergrund und es wird immer schwieriger überhaupt bezahlbaren Wohnraum zu finden und das in Zeiten der Krisen und Inflation. Ganz zu schweigen von Diskriminierung aufgrund von Herkunft, sexueller Identität oder Krankheit, welche auch auf dem Wohnungsmarkt keinen Halt macht. Oder gar der Fakt, dass trotz des massiven Leerstands immer noch Geflüchtete in Turnhallen untergebracht werden. Wohnraum darf einfach kein kapitalistisches Gut sein! Wir brauchen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen und keine weiteren Luxussanierungen. Statt auf Modernisierung und Privatisierung muss der Fokus auf der Förderung sozialen Wohnungsbaus liegen. Leerstand sollte als Wohnraum oder auch als soziale und kulturelle Orte für alle Menschen nutzbar gemacht werden. Das Grundrecht auf Wohnen darf nicht weiter Teil des kapitalistischen Systems sein. ​ ​ Was folgt auf die Haldi? Lena: Wir wollen die Thematik weiterhin im Gespräch halten. Wie und auf welche Art können wir jetzt noch nicht sagen. Sollte sich eine Möglichkeit ergeben, werden wir sie sicher nutzen. Das Thema ist relevant und verliert ja mit Ende der Hausbesetzung nicht an Wichtigkeit. ​ Eva: Ich denke auch, dass Leute von uns weitermachen, wenn auch in anderer Form. ​ Lena: Für uns ist es wirklich schön – abseits der Besetzung der Haldi47, zudem einen Freiraum für Menschen geschaffen zu haben. Es wäre schön, wenn im Nachgang – dann leider ohne die Haldi als Ort der Begegnung und des Austauschs – diese Verbindungen bestehen bleiben würden. Die Menschen hier haben Bock darauf weiterzumachen. Vielleicht trifft man sich demnächst an einem anderen Ort – diskutiert gemeinsam, lädt zu Vorträgen oder ähnlichem ein, hat eine gute Zeit miteinander.

  • RANDALINA Techno-DJ // FLINTA* FOR RAVE

    Dortmund, 2023 Interview mit Randal1na – Techno-DJ und Teil des Netzwerkes FLINTA* FOR RAVE (FLINTA*: Women, Lesbians, Intersex, Non-Binary, Trans and Agender People) aus Dortmund und Umgebung über ihren persönlichen musikalischen Werdegang und ihre Erfahrungen als DJ und Newcomer in der Techno-Szene des Ruhrgebiets. Ich treffe Lina an einem eher regnerischen Sommertag in einem alten Bunker im Norden der Dortmunder Innenstadt – ein Ort, der für sie als kreativer Raum, aber auch für Austausch, Miteinander und Rückzug steht. ​ ​ Wie bist du zum Auflegen gekommen – im Netzwerk, aber auch hier in einem Bunker in Dortmund? Der Bunker und das Netzwerk sind zwei ganz unterschiedliche Geschichten. Der Bunker hat sich zum Glück dank einer Freundin ergeben. Es gibt hier verschiedene Proberäume und in dem Raum, in dem ich heute bin, ist zuletzt jemand ausgestiegen. Die beiden, die das hier organisieren, haben mich und einen guten Freund dann gefragt, ob wir Interesse hätten, einzusteigen. Da ich zu Hause aktuell weder die Technik noch den Raum habe, um laut aufzudrehen, war das für mich wie ein Geschenk. So bin ich Anfang des Jahres hier im Bunker gelandet und sehr glücklich darüber. ​ ​ Seit wann genau legst du auf? Ich habe vor einem Jahr angefangen, genauer gesagt im August 2022. ​ ​ Wie bist du zur Musik gekommen, konkret zu Techno? Ich bin mit 18 auf meine ersten Techno-Partys gegangen und habe mich irgendwann gefragt: „Wie funktioniert das eigentlich genau, was muss man mitbringen, um aufzulegen?“ Und dann habe ich an einem Wochenende im letzten Sommer bei Freund*innen, die mit Vinyl aufgelegen, mich an einem Abend an die Plattenspieler getraut. Ein guter Freund von mir hat sich da auch die Zeit für mich genommen und wir haben geschaut, ob ich mit Vinyl klarkomme, … es war ziemlich chaotisch, weil das Mixing hier fast nur nach Gehör geht: Man muss etwa das Tempo der Tracks ziemlich genau heraushören können, was am Anfang gar nicht so einfach ist. ​ Am Tag darauf haben wir uns wieder verabredetet. Diesmal hatte er digitales Equipment im Gepäck. Wir haben ein paar Tracks gespielt – das hat mir richtig viel Spaß gemacht, obwohl es wahrscheinlich ziemlich unkoordiniert war, was ich da gemacht habe (lacht). Aber alles daran hat mich fasziniert, vor allem, dass die digitale Technik so viele zusätzliche Möglichkeiten bietet, die das Auflegen für mich als Beginnerin auch schon sehr erleichtert haben. ​ ​ Bist du von diesem Wochenende an bei der Sache geblieben oder hast du dich immer mal wieder ausprobiert? Einige Tage nach dem besagten Wochenende haben Freund*innen von mir einen Rave in Dortmund organisiert. Sie haben gesehen, dass mir das Auflegen Spaß macht und mich überredet, bei ihrem nächsten Rave mit aufzulegen. Zuerst habe ich abgelehnt und gedacht: „Keine Chance, das schaffe ich nie im Leben!“ Aber sie haben nicht locker gelassen, mein „Nein, ich kann das nicht“ liebevoll einfach ignoriert und mich bestärkt, auf eine nette und unterstützende Art und Weise. Und dann habe ich tatsächlich mit dem besagten Freund b2b (Back2Back) vor anderen aufgelegt. Er hat mich die ganze Zeit unterstützt und mir geholfen, wann immer ich Hilfe brauchte. Das war toll, auch weil ich für meine Freund*innen auflegen durfte und, obwohl es sicher nicht perfekt war, haben es alle glaub’ ich trotzdem gefeiert. Es hat so viel Spaß gemacht, die Leute zum Tanzen zu bringen. ​ ​ Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal vor Leuten aufgelegt hast? Ich war total nervös, aber es war eine positive Aufregung. Die Angst und die Skepsis waren schnell weg, als wir angefangen haben. Nach dem Auftritt war ich super glücklich und inspiriert. Das hat mich motiviert, weiter aufzulegen und Musik zu machen. ​ ​ Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Mein Stil ist schwer zu definieren, weil er sich ständig weiterentwickelt. Andere würden es wahrscheinlich hypontic Techno oder Hardgroove nennen, oft um die 140 bpm – platt gesagt schneller Techno mit vielen rhythmischen Elementen. ​ ​ Würdest du Techno – abgesehen von deiner Tätigkeit als DJ – als deine musikalische Heimat bezeichnen? Musik hat mich schon immer begleitet, aber Techno war nicht von Beginn an meine Nummer 1. Mit 14 war es erst Punk/Rock. Dann hatte ich eine lange Phase, in der ich zum Beispiel auch viel Rap gehört habe. Aber seit ich ungefähr 18 bin, begleitet mich die elektronische Musik. Techno bzw. elektronische Musik bringt so viele unterschiedliche Leute auf unterschiedlichen Ebenen zusammen und das schätze ich sehr. Bevor wir über euer Netzwerk sprechen, würde ich gerne mit dir über ein paar allgemeine Aspekte sprechen, zum Beispiel die Techno-Szene im Ruhrgebiet. Entwickelt sich die Szene weiter und wenn ja, woran machst du das fest? Die Entwicklung ist aus meiner Perspektive enorm. Vor allem durch den Einfluss neuer Clubs, die in den letzten Jahren eröffnet haben. Die Szene verändert sich aber irgendwie gefühlt immer ständig und es kommen immer mehr junge Leute dazu. Gefühlt wird es aber auch kommerzieller, was bestimmt Vor- und Nachteile mit sich bringt – das treibt das Ganze aber auch irgendwie an: ​ Was ich zum Beispiel positiv finde, ist die aus meiner Wahrnehmung zunehmende Sensibilisierung innerhalb der Clubkultur, vor allem mit Blick auf das Bewusstsein und die Verhaltensmuster des Personals und auch zum Teil innerhalb der eigenen Szene. Das Feiern hat sich dadurch aus meinen Augen schon auch mit verändert, verglichen mit der Clubkultur von vor zehn Jahren im Ruhrgebiet. Damals gab es aus meinen Erfahrungen heraus etwa weniger Sensibilisierung und Sicherheit für marginalisierte Gruppen. Das kann man eventuell als Weiterentwicklung verbuchen und das finde ich auch richtig und wichtig, auch wenn dahingehend bestimmt noch einiges zu tun ist. Bereits an der Tür mancher Clubs gibt es mittlerweile klare und sichtbare Richtlinien, was geht und was nicht erwünscht ist, zum Beispiel sexistisches Verhalten oder das Zeigen des nackten Oberkörpers im Club. Das war vor 10 - 15 Jahren noch kein Thema an der Tür. ​ ​ Wie siehst du die (Weiter-)Entwicklung der Techno-Szene in Bezug auf beispielsweise Diversität? Wie sieht es mit der Repräsentation von FLINTA*s in der Clubkultur aus bzw. der Sichtbarkeit weiblicher DJs? Es verändert sich etwas in meinen Augen. Das kann aber auch meiner Bubble und entsprechend subjektiver Wahrnehmung geschuldet sein. Oder es liegt daran, dass ich viele Leute kenne, die denken, wenn sich was bewegen soll und besser werden soll, dann muss man es selbst in die Hand nehmen. Deshalb engagieren sich zum Beispiel hier so viele Menschen bei uns im Netzwerk. Wir wollen mehr Sichtbarkeit schaffen. Die Entwicklung muss aus meiner Perspektive daher auch über das bloße Auflegen hinaus gehen: Es geht mir dabei unter anderem auch um ein diverseres Booking. Ich denke, dass es dahingehend noch viel zu tun gibt, zum Beispiel auch, wenn es um PoC und BIPoC-Personen geht. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass sich etwas ändert. Und seit es unser Netzwerk gibt, bekommen wir auch einige Anfragen. ​ ​ Wie werdet ihr als FLINTA* FOR RAVE angefragt, wie kann man DJs aus eurem Netzwerk buchen? Wir haben unter anderem einen Instagram-Account mit einer Liste unserer DJs. Die Anfragen kommen meist darüber oder direkt über persönliche Kontakte. Für die Anfragen haben wir bewusst ein eigenes Vergabesystem entwickelt: Wenn eine Anfrage eingeht, nehmen wir uns eine Woche Zeit für die Entscheidung, um auch diejenigen zu berücksichtigen, die nicht so „laut“ sind. Damit wollen wir auch denen eine Chance geben, die vielleicht noch nicht so lange dabei sind oder zurückhaltender sind, ich brauche zum Beispiel auch erst ein wenig Überlegungszeit. Die Entscheidung überlassen wir dann natürlich letztlich den Veranstalter*innen. ​ ​ Wir sprechen über Positionierung und Haltung. Beides braucht in der Regel Zeit, Energie und Ausdauer. Ein Netzwerk, wie ihr es lebt, ist auch mit einem gewissen Blick von außen auf euch als FLINTA* verbunden und bringt womöglich erneut stereotypes Denken mit sich. Wie viel Zeit investiert ihr zusätzlich zur Musik hierfür? Ich würde sagen, das hält sich in meinen Augen in der Waage. Unsere Anliegen sind uns zwar wichtig und dementsprechend haben wir uns entschieden, uns damit auseinanderzusetzen. Aber jede*r gibt so viel Zeit und Engagement ab, wie es gerade eben geht. ​ ​ Hast du das Gefühl, dass ihr gebucht werdet, weil ihr als FLINTA* Netzwerk herausstecht oder ist es die Musik, die ihr spielt, die ausschlaggebend für Anfragen ist? Ich hab das Gefühl, dass mittlerweile viele auch nach Außen kommunizieren wollen, dass sie ein gutes diverses Booking haben, was ja grundsätzlich gut ist. Wir wollen als Netzwerk deswegen unsere Sichtbarkeit im Ruhrgebiet verstärken, sodass es auch in der Hinsicht keine Ausreden mehr gibt. Dahingehend erfahren wir meiner Einschätzung nach eine gute Resonanz. Aber dabei darf es halt nicht bleiben. Ich für meinen Teil will natürlich nicht nur alleinig wegen meines Geschlechts gebucht werden, sondern vielmehr wegen meiner Musik angefragt werden, und das ist zum Glück auch der Fall. Es ist für mich wichtig und vorrangig, dass ich aufgrund unserer Fähigkeiten oder meines Sounds gebucht werde. In meiner idealen Welt gäbe es ein ausgeglichenes Booking und wir müssten nicht für mehr Sichtbarkeit kämpfen. Daher sind das für mich zwei unterschiedliche Aspekte. Wie funktioniert die Kommunikation untereinander im Netzwerk? Wir legen viel Wert auf Austausch und ein liebes Miteinander. Wir haben daher diverse AGs, darunter zum Beispiel eine Technik-AG, in der wir uns untereinander unterstützen und Fragen klären. Ich bin zum Beispiel in der Awareness-AG, in der wir uns über Awareness in der Clubkultur austauschen wollen. Es ist in meinen Augen vor allem ein Austausch auf Augenhöhe. Wir helfen einander und geben unser Wissen weiter, ohne irgendwie abwertend zu sein. Das ist etwas Besonderes und das schätze ich sehr. ​ ​ Lass uns über euer Netzwerk sprechen. Wie ist es dazu gekommen und welche konkreten Ziele verfolgt ihr als FLINTA* FOR RAVE? Zwei Freundinnen von mir, die beide schon länger auflegen, haben sich auf einer Veranstaltung kennengelernt und festgestellt, dass es hier im Ruhrgebiet noch immer nicht genug Sichtbarkeit für FLINTA* DJs gibt und eine Vernetzung untereinander als Empowerment fehlt. Also haben sie ein Treffen organisiert, zu dem sie alle eingeladen haben, die sie kennen und die auch auflegen. Sie haben alle möglichen Leute aus Dortmund, Bochum, Hagen, Essen und Umgebung zusammengebracht und das Ganze hat sich wie ein Schneeballsystem verbreitet. Wir hatten unser erstes Treffen im November und da waren auf Anhieb über 20 Leute da. Das war schon sehr beeindruckend. ​ Viele von uns sind in der Rave-Kultur Zuhause und feiern sie, aber wir sind im Netzwerk nicht nur auf Techno fixiert. Wir haben DJs, die Hip-Hop, 80s, Soul und verschiedene andere Stile auflegen. Es ist uns auch wichtig zu zeigen, wie vielfältig das Netzwerk ist und damit auch unser Sound. ​ ​ In vielen Teilen Deutschlands, zunehmend auch in und um Berlin, kann man eine Zunahme von FLINTA*-Kollektiven beobachten. Wie empfindest du diese Entwicklung? Ja, absolut. Es gibt zum Glück einige Kollektive und es gründen sich immer neue. Hier in NRW gibt es auch einige, aber unser Netzwerk will fürs Ruhrgebiet bzw. den Raum Dortmund etwas Neues auf die Beine stellen. ​ Gibt es im Moment noch konkrete Dinge, an denen ihr als FLINTA* for RAVE arbeitet? Aktuell sind wir alle ein bisschen in der Sommerpause, aber unser Promo-Team arbeitet sehr toll daran, unsere Sichtbarkeit zu verstärken, wenn wir irgendwo auflegen. Zudem arbeiten wir gerade an einem Selbstverständnis, um uns als Gruppe zu stärken und auch besser kennenzulernen. Und wir haben viele Ideen, Kompetenzen und gute Ressourcen durch die vielen verschiedenen Mitglieder. Wir sind aktuell circa 65 Leute in unserer Netzwerk-Gruppe. Ich erlebe durch die anderen einen enormen Rückhalt und habe das Gefühl, dass wir uns gut aufeinander verlassen können. Was wir langfristig versuchen wollen, so ist zumindest die Idee, ist ein funktionierendes Netzwerk, das sich innerhalb der Szene auch gesellschaftspolitisch positioniert. Informationen und Kontakt: Soundcloud von Randal1ina: soundcloud.com/randal1ina FLINTA*4RAVE Instagram: flinta4rave oder linktr.ee/f4rartists E-Mail: flintaforrave@riseup.net Bunkerkollektiv Instagram: kollektiv_bunkeranlage oder linktr.ee/realitaetsschutzbunkeranlage

  • PINAR // Refugee Law Clinic Bochum e.V.

    Bochum, 2023 Im November traf ich mich für ein Interview mit Pinar an der Ruhr-Universität Bochum. Während unseres Gesprächs gewährte sie Einblicke in ihr Jura-Studium, schilderte, wie sich ihre anfänglichen Vorstellungen im Laufe der Zeit verändert haben, und erklärte wie sie letztlich zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Refugee Law Clinic kam. Weshalb und wann hast du die Entscheidung getroffen, Jura zu studieren? Das war absolut nicht meine Absicht. Eine kleine Anekdote dazu: In der achten Klasse stand ich mit meiner Mutter in der Küche und wir haben über die Zukunft gesprochen. Ich sagte ihr: „Mama, ich will Sozialarbeiterin werden!“ Sie hat große Augen gemacht und auch gleich ihre Bedenken geäußert. Meine Mutter kommt aus einer Arbeiterfamilie und musste für alles kämpfen – es ging darum, Geld zu verdienen. Im weiteren Gespräch hat sie versucht, mich von der Idee zu überzeugen, etwas „Vernünftiges“ zu studieren, etwas wie Jura. Rückblickend hätte ich nicht so widerspenstig sein sollen (lacht). Jetzt sitze ich hier als Juristin. Nach dem Abi war mir also noch nicht klar, dass ich je Jura studieren würde. Ich habe mich für verschiedene Studiengänge beworben und dachte: „Jura wäre schon ganz cool.“ Und dann wurde ich sowohl in Mainz als auch random in München angenommen. Ich wollte nach Mainz, hatte aber nicht das Geld dafür. In Bochum stand ich derzeit noch auf der Warteliste, aber ich war ungeduldig as fuck und dachte mir: „Scheiß drauf, ich fange mit Philosophie und Germanistik an.“ Das Semester mochte ich sehr, auch die Leute, mit denen ich studiert habe, aber dann doch alles auf eine Karte gesetzt und bin zu Jura gewechselt. Inwiefern haben sich deine anfänglichen Vorstellungen vom Jura-Studium im Laufe der Zeit verändert, und welche Erfahrungen prägen heute deine Sicht darauf? Erwartungen und Realität unterscheiden sich doch sehr, das ist mir heute klar. Nach 7 Jahren Jura merke ich, dass sich auch mein Charakter durch das Studium verändert hat. Ich gehe stumpfer an Dinge heran, das bringt das Studienfach mit sich. Das Studium ist aber auch nicht so trocken, wie man alle denken: Wir arbeiten an konkreten Fällen und wenden unser Wissen direkt an. Es macht mir wirklich Spaß – selbst Zivilrecht, was eigentlich nicht mein Fall ist. Strafrecht hingegen ist es nüchtern und stumpf und selbst wenn es um Mordfälle geht, berührt mich das nicht wirklich, weil es wie erwähnt konstruierte Fälle sind, an denen wir arbeiten. Ab welchem Zeitpunkt hast du Interesse für Asylrecht / Migrationsrecht entwickelt? Im ersten Semester wurde ich durch die RUB (Ruhr-Universität Bochum) auf die RLC (Refugee Law Clinic) aufmerksam, meldete mich an, musste aber feststellen, dass das Jura-Studium und ehrenamtliche Tätigkeit für mich zu der Zeit nur schwer zu vereinen waren. Das Studium hatte Priorität und es wurde uns auch so von Beginn an vermittelt – das Studium ist alles. Besonders bei uns in Bochum, wo nicht alle Studis in der x-ten Generation Jura studierten – aus Richterfamilien kommen. Ein Professor ermutigte uns, meinte, wir, die wir aus Arbeiterfamilien kommen, sollen uns nicht einschüchtern lassen. Er sei den Weg gegangen, also würden wir es auch schaffen. Trotzdem habe ich mich dann für die Arbeit bei der RLC entschieden, die zu der Zeit total im Wandel war. Wir mussten schauen, dass Grundstrukturen und auch die Aktivität wieder ans Laufen kamen. Gemeinsam mit zwei Kommilitonen, Lisa und Eric, habe ich gemeinsam begonnen die RLC wieder aufzubauen. Das war gut und hat große Freude gemacht und bald war ich trotz des ersten Staatsexamens vollständig in die Arbeit mit der RLC versunken. Wichtig in dem Kontext ist vielleicht auch: Migrationsrecht als solches hat nichts mit dem Jura-Studium zu tun und ist somit auch nicht prüfungsrelevant. Es gibt wenige Dozent*innen für Migrationsrecht, und entsprechend wird es nur an einige Universitäten angeboten. Wenn du nicht für die RLC arbeitest oder dich engagierst, hast du im Studium maximal nichts mit Migrationsrecht zu tun. Ich bin auch nur über die RLC in den Bereich gekommen. Was genau ist die Refugee Law Clinic? Die RLC Bochum ist ein eingetragener studentischer Verein, der Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund ehrenamtlich in Fragen des Aufenthaltsrechts, Asyls und Migrationsrechts berät. Wir arbeiten ehrenamtlich als studentische Beratung – Recherche und Fallarbeit liegt dann bei uns, wobei wir von Anwält*innen beaufsichtigt werden. Welche Größe hat euer Verein und wie ist die Struktur der Refugee Law Clinic aufgebaut? Das variiert stark – einige sind unabhängige Vereine, andere wieder stark an die jeweilige Uni gebunden. Wir hier in Bochum, sind ein unabhängiger eingetragener Verein mit knapp unter 200 Mitgliedern, wobei es eine Menge Leute darunter gibt, die sich nicht aktiv einbringen. Insgesamt gibt es 35 unabhängige RLCs in Deutschland, jede mit unterschiedlichen Strukturen und Größen. Ein Bundesverband existiert ebenfalls und sorgt für Vernetzung und Austausch untereinander. Inwieweit seid ihr in Prozesse bzw. Verfahren involviert? Die RLC Bochum darf nicht vor Gericht vertreten, kann jedoch im Namen der Hilfesuchenden Anträge vorbereiten. Die Unterstützung reicht bis zur Klageschrift, aber nicht zur Vertretung vor Gericht. Warum ist eure Arbeit notwendig, und wie gestalten sich staatliche Unterstützungsangebote in diesem Bereich? Staatliche Angebote decken den Bedarf nicht. Die RLC bietet Hilfe nicht nur während der Asylverfahren, sondern auch danach, wenn bei negativer Entscheidung andere Wege über das Aufenthaltsgesetz gefunden werden müssen. Der Bedarf an kostengünstiger oder gar kostenfreier rechtlicher Unterstützung ist hoch und die entsprechenden Angebote nicht genug. Könntest du konkrete Beispiele für die Interaktion mit euren Klienten bzw. den zeitlichen Rahmen eures Unterstützungsangebots geben? Kontaktgestaltung kann vielfältig aussehen. Von regelmäßigem Austausch bis zu einmaligen Beratungen reicht die Bandbreite. Einige Mandanten bleiben über längere Zeiträume in Kontakt mit uns, dann begleiten wir auch Termine bei der Ausländerbehörde mit, während sich andere nach der ersten Beratung nicht mehr melden. Dann gibt es aber auch Fälle, Klienten, mit denen man lose in Kontakt bleibt. Einer meiner ersten Klienten kam damals minderjährig und alleine in Deutschland an. Wir haben seinen Fall betreut und bis heute meldet er sich in längeren Abständen immer mal wieder bei mir. Auf welche Weise können Menschen, die Hilfe benötigen, mit euch in Verbindung treten? Die Kontaktaufnahme erfolgt aktuell per E-Mail. Vor der Coronapandemie gab es eine offene Sprechstunde im „SQUARE“ in der Innenstadt. Wir arbeiten daran, bald wieder eine Sprechstunde anbieten zu können. Alle Informationen dazu gibt es dann auf unserer Homepage. Wie viele Mitglieder und ehrenamtliche Helfer*innen hat euer Verein? Unsere Mitgliederliste in Bochum umfasst knapp unter 200 Personen, wobei ein Großteil inaktiv ist. Wir haben deshalb auch unser „Ausbildungssystem“ überarbeitet, um sicherzustellen, dass nur noch engagierte Personen aktiv werden, bzw. beitreten, die dann auch wirklich Rechtsberatungen durchführen. Infolgedessen haben wir die Hürden für die Beratung angepasst, um sicherzustellen, dass diejenigen, die sich engagieren, intensiver und nachhaltiger in der RLC arbeiten können: Die Teilnahme an Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht ist nun obligatorisch, um sicherzustellen, dass grundlegende Kenntnisse vorhanden sind. Es gibt wöchentlich stattfindende Vorlesung und eine anschließende praktische Ausbildung, die verschiedene interdisziplinäre Workshops beinhaltet und auch die Einarbeitung in die Beratungspraxis. Ein Motivationsschreiben ist dann Voraussetzung für die Beratungsausbildung. Wir wollen damit ein Stück weit verhindern, dass Leute lediglich eine Bescheinigung abgreifen wollen, um ihren Lebenslauf aufhübschen. Welche Motivation steckt hinter deinem Interesse am Migrationsrecht und deinem ehrenamtlichen Engagement in der Refugee Law Clinic? Mein Interesse am Migrationsrecht entstand ehrlich gesagt durch ein Zufall. Durch meine Arbeit bei der RLC, bin ich dem Ganzen dann schnell verfallen und habe bereits während meines Studiums erkannt, dass ich später als Migrationsrechtlerin arbeiten möchte. Mein Ziel ist es, Betroffenen den Zugang zu ihrem Recht zu ermöglichen, da geflüchtete und eingewanderte Menschen oft mit großen bürokratischen und rechtlichen Hürden konfrontiert sind. Die RLC hat mir letztlich die Möglichkeit geboten, Jura, soziale Themen und ehrenamtliches Engagement zu kombinieren. Was macht die Arbeit bei der RLC mit dir? In der Arbeit für die RLC gibt es so viele negative Dinge, aber wenn ich bei hundert frustrierenden Fällen dann bei dem einen weiterkomme, macht mir das Mut und motiviert mich weiterzumachen. Manchmal denke ich ganz egoistisch, dass mich diese Arbeit unglücklich macht, totaler Weltschmerz, aber ich kann die Distanz inzwischen wahren und ich kann effektiv helfen, also mache ich weiter. Aber ohne emotional dabei zu werden. Ich funktioniere nicht gut, wenn ich emotional bin. In den freien Phasen meines Studiums, die wirklich selten waren, habe ich einmal mehr gemerkt, wie wichtig für mich eigentlich Familie und Freunde sind. Mein Netzwerk aus guten Menschen, die ich brauche, um mich komplett zu fühlen – das ist keine Selbstverständlichkeit für mich. Ich lerne gerade wieder, wie gut das ist, auch mal Freizeit zu haben – wegzufahren und Zeit mit meinen Leuten zu verbringen. Zugleich weiß ich aber auch: ohne die Arbeit für die RLC und all den Trubel wäre ich auch nicht glücklich, da würde etwas fehlen. Alle Informationen rund um die Refugee Law Clinic Bochum: https://rlc-bochum.de https://www.instagram.com/rlc_bochum

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